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Artikel aus c't 11/96

Dr. Thomas J. Schult

Autonomes Bürsten

Roboter räumen den Tennisplatz

Im US-amerikanischen Portland kämpften beim fünften internationalen Roboterwettbewerb autonome Saubermänner um den ordentlichsten Tennisplatz. Zwei hinterließen ihn ballfrei.

Der große Abräumer heißt Jeeves. Er sieht aus wie das Ergebnis einer Liaison zwischen Flaschenbürste und Polizeihelm. Tatsächlich gehört aber ebenso c't zu seinen Vätern. Und das kam so: Das Bonner Robotik-Wunderkind Sebastian Thrun verblüffte 1994 beim dritten Turnier in Seattle die Fachwelt mit seiner rollenden Mülltonne namens 'Rhino', die Vizeweltmeisterin in den Disziplinen Aufräumen und Kurierfahrten in einer Büroetage wurde. Die deutschen Medien wurden darauf aber erst durch einen c't-Report aufmerksam. Das Medienecho hallte auch ins Schwabenland, wo Hans Nopper aufhorchte. Der Designstudent an der Stuttgarter Kunstakademie nahm Kontakt zu Thrun auf, der inzwischen meist im US-amerikanischen Pittsburgh an seinen künstlich intelligenten Tonnen werkelte. Nopper wollte die autonomen Gesellen von ihrem unvorteilhaften Äußeren befreien und bot seine Mitarbeit an. Thrun spendierte einen Flug in die USA, und der Stuttgarter Student durfte zwei Monate lang in New Hampshire beim Roboterbauer Real World Interface seine Vorstellungen umsetzen. Thrun schrieb derweil die Software, mit der sich die 'Jeeves' getaufte Neuschöpfung eine Karte der Umgebung erstellt, verdächtige Objekte aufspürt und zum Sammelplatz befördert.

Beim fünften Wettbewerb der AAAI (American Association of Artificial Intelligence) konnte Jeeves dann Anfang August zeigen, was in ihm steckt. Zunächst einmal viel Rauch: Unter dem Grinsen der Konkurrenten stieg vor dem Wettkampf eine Rauchsäule aus Jeeves empor - Kabelbrand. Die Schäden wurden notdürftig beseitigt. Das mitgebrachte Arsenal an Ersatzteilen durfte sich auch weiterhin bewähren, denn drei weitere Brände galt es bis zum Startschuß zu löschen.

Einer der beiden Disziplinen des AAAI-Wettbewerbs fand wieder in einer Büroetage statt. Jeeves trat jedoch auf dem Tennisplatz an. Sechs Robothleten aus verschiedenen Ländern sollten so schnell wie möglich den Platz von Bällen räumen. Darunter waren auch 'squiggle balls', Produkte der nimmermüden US-Spielzeugindustrie: Tennisbälle mit eingebautem Motor, die unablässig rollen. In den Vorläufen räumte Jeeves als einziger den ganzen Platz auf. Im Endlauf teilte sich der mit aktuellen KI-Techniken arbeitende Roboter den Sieg mit einem Konkurrenten aus dem MIT-Spinoff 'Newton Labs'.

Thrun denkt jetzt an eine kommerzielle Version von Jeeves. 'US-amerikanische Tennistrainer wenden etwa 10 000 DM im Jahr dafür auf, daß die Tennisbälle zurückkommen. Diese lästige Aufgabe können wir manchen abnehmen und gleichzeitig den Nachbarclub neidisch machen.' (ts)


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Zuletzt aktualisiert am 16.10.1996 von Michael Kurzidim